Nachdem ich perfektionistische Verhaltensweisen bei mir festgestellt habe, war meine Wahrnehmung dementsprechend auf den gesellschaftlichen Umgang mit Fehlern gerichtet. Dabei stellte ich überraschenderweise meist eine idealistische Haltung fest, welche von sogenannten "Sünden" oder (der juristische Terminus) "Schuld" geprägt ist. Fehler gilt es zu vermeiden. Wer zum Beispiel in der freien Wirtschaft Fehler begeht, wird meiner Auffassung nach oftmals nicht mehr als konkurrier fähig angesehen. Oder wer in der Ehe einen oder mehrere Fehler verübt (Gewichtung auf "üben"!), kann manchmal nicht von einer vergebenden Reaktion des Ehepartners rechnen, weil dein "falscher" Umgang überwogen wird und restliche positive Aktionen verdeckt.
Meiner Ansicht nach liegt das zum Einen an einer negativ zentrierten Wahrnehmungsperspektive: Wir haben Angst vor unserer Verletzlichkeit aufgrund der Fehler anderer. Sobald eine Situation geschieht, welche wir als "falsch" oder "negativ" beurteilen, ist die Quintessenz meiner Meinung nach positiv geprägt, welches mit dem erbrachten und damit bereits zeitlich vergangenen Fehler einhergeht:
Wenn uns die Individualität und damit die einher gebrachten verschiedenen Persönlichkeitsanteile eines jeden Einzelnen bewusst wird, erkennen wir die normale Fehlerkultur, welche existenziell zu der Gemeinschaft aller Individuen dazugehört. Wie können wir auch etwas nicht erlernt haben, wenn wir nicht gelernt haben, uns selbst zu überwinden?
Das Leben kann man als Überwindungsprozess betrachten. Überwindung von destruktiven Gedankengängen. Überwindung von Negativität jeglicher Art. Erkennen wir diesen Lernprozess, der bei jedem unterschiedlich aufgebaut ist und als Antrieb zur Gemeinschaft in der Sozialisation dient, an, erlernen wir die machtvollste Emotion im Umgang mit unseren Mitmenschen: Vergebung. Vergebung ist Frieden! Vergebung ist Verständnis. Vergebung kann als Akzeptanz des Gegenübers gesehen werden. Akzeptanz seines aktuellen Entwicklungsstandes. Und das Verstehen von psychologischen Konstellationen.
Den Fehler/die Tat des Anderen erschafft immer der Betrachter: Würden wir unsere idealistischen Wahrnehmungsbrillen der Perfektion ablegen, wie die Welt am Besten wäre, werden wir unser Umfeld als unbeschriebene Blätter sehen. Frei von Etiketten. Erfüllt von Vergebung durch Empathie und dadurch eine einher gebrachte akzeptierende Haltung des Gegenübers.
Die humane Transformation, welche primär mit Selbstreflexion als mit eigener Umstrukturierung zu tun hat, beginnt mit dem Verstehen unserer ewigen Unvollkommenheit. Perfektion ist eine Illusion unserer selbst-fremden Ansprüche: So leben wir unsere Einstellungen in die Umwelt ohne sie oftmals zu verstehen oder bewusst zu kennen. Um zu akzeptieren müssen wir zunächst uns akzeptieren. Als unvollkommenes und daher für das Weltliche perfekte Kunstwerk der humanen Existenz. Wir erkennen unsere Einmaligkeit und daher die Welt als vielseitige Heimat.
Kein System kann einen Menschen völlig seiner Individualität berauben, denn ein System wäre ebenso ein einmaliges Konstrukt aus den Gedanken eines menschlichen Individuums: Ich möchte damit sagen, das all´die Erschaffungen auf unserer Erde aus menschlicher Schöpfung, dem einzigartigen unvollkommenen Denkens eines Menschens, entstanden sind. Das Denken gilt für mich als elementares "Werkzeug" um zu agieren. Um frei zu sein, mit dem was uns als Menschen ausmacht.
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